Ausstellung im Haus des Deutschen Ostens – Das deutsche Wolgagebiet. Eine unvollendete Fotogeschichte
Seit Anfang der 1990er Jahre sind hunderttausende Deutsche aus der Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten in die Bundesrepublik, darunter nach Bayern gekommen. Die Ausstellung „Das deutsche Wolgagebiet. Eine unvollendete Fotogeschichte“, die seit 11. Mai (bis 29. Mai) 2020 im Haus des Deutschen Ostens zu sehen ist, greift ein hierzulande wenig bekanntes Kapitel aus ihrer Geschichte auf – die Gründung einer Deutschen Autonomen Sowjetrepublik an der Wolga 1923, die bis zu ihrer Auflösung nach dem Überfall des nationalsozialistischen Deutschlands auf die Sowjetunion 1941 bestand.
Unter Katharina der Großen siedelten sich auf Einladung der Zarin in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts viele Deutsche im Russischen Zarenreich an, besonders in einem Gebiet am Mittellauf der Wolga. Folgt man der Volkszählung von 1897, so lebten hier zu diesem Zeitpunkt 395.800 Deutsche. Nach der Oktoberrevolution im Jahr 1917 erhielt das wolgadeutsche Gebiet in Form einer „Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik der Wolgadeutschen“ erstmals eine Eigenständigkeit – jedoch nur für weniger als zwei Jahrzehnte.
Die Errichtung einer sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung und die Experimente zur Formung eines „Neuen Sowjetischen Menschen“, die neue Bildungs- und Kulturpolitik und die Kollektivierung der Landwirtschaft Ende der 1920er / Anfang der 1930er Jahre hinterließen im Leben ihrer Bewohner tiefe Spuren. Gleiches gilt für die Hungerkatastrophen von 1921/22 und 1932/33, für die restriktive Religionspolitik seit Ende der 1920er Jahre und für den Großen Terror der Jahre 1937/38, dem Zehntausende deutsche Sowjetbürger, vor allem Vertreter der nationalen politischen und kulturellen Elite, zum Opfer fielen. Nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden die Wolgadeutschen 1941 auf Befehl Stalins in den Ural sowie nach Sibirien und Kasachstan deportiert.
Facettenreiche Bilder vergangener Zeiten
Die Ausstellung „Das deutsche Wolgagebiet. Eine unvollendete Fotogeschichte“ wurde 2018 vom Internationalen Verband der deutschen Kultur (IVDK, Moskau) und der Moskauer Deutschen Zeitung in Zusammenarbeit mit Archiven und Museen in Russland und Deutschland anlässlich des 100. Jahrestages der Gründung der Wolgadeutschen Autonomie konzipiert. Sie erzählt die Geschichte der ersten sozialistischen deutschen Staatlichkeit anhand von einmaligen historischen Fotoaufnahmen aus den Beständen des Bundesarchivs Berlin, des Russländischen Staatsarchivs für Film- und Fotodokumente (RGAKFD), des Historischen Staatsarchivs der Wolgadeutschen (GIANP) und anderer Archive auf dem Gebiet der ehemaligen Deutschen Autonomie an der Wolga. Diese Dokumente werden in der Ausstellung erstmals einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Entstanden ist dabei ein facettenreiches und faszinierendes Bild vom Alltag der wolgadeutschen Autonomie zwischen althergebrachten Lebensformen und sozialistischer Moderne, zwischen Privatwirtschaft und Kolchose, zwischen Religion und Kirche und dem sowjetischen Massenfest, zwischen traditionellem Familienleben und sozialistischen Lebensformen, mit neuen Rollenmustern für Männer und Frauen.
Das deutsche Wolgagebiet. Eine unvollendete Fotogeschichte
Dauer: 11. bis 29. Mai 2020
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag (werktags) 10.00 bis 18.30 Uhr. Wegen der aktuellen Verbreitung des Corona-Virus COVID-19 gelten Sonderbedingungen für den Ausstellungsbesuch in unserem Hause. Diese finden Sie unter diesem Link.
Begleitprogramm:Das Online-Angebot im Rahmen des Begleitprogramms der Ausstellung finden Sie hier.
Ort: Haus des Deutschen Ostens, Am Lilienberg 5, 81669 München
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